Verfasst von: Axel Brodehl | 13. Juli 2009

Mediation – ein Allheilmittel? (Rede von BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt)

„Glückliche Parteien, zufriedene Rechtsanwälte, weniger dicke Akten für die Richter. Mediation – ein Allheilmittel?“

Unter diesem Motto hielt Frau Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), beim Deutschen Mediationstag 2009 in Jena eine flammende Rede.

Zunächst faßte sie die Mediation zusammen (verschiedene Phasen; Strukturierung durch den Mediator; Ziel sei es nicht, Ansprüche durchzusetzen, sondern Ausgleich zu schaffen; etc.) Der Unterschied zwischen der Mediation und der Rechtsprechung sei, daß die Verantwortung eines Mediators darauf beschränkt sei, daß das Verfahren ordentlich abläuft, während ein Richter eine Entscheidung zu treffen habe. Bis dahin brachte sie nur Aspekte, die den Zuhörern bereits zur Genüge geläufig waren.

Doch dann holte sie aus – und griff die gerichtliche Mediation an. Das Problem der Richtermediatoren sei, daß diese das Recht zum Maßstab nehmen und alle juristischen Aspekte in die Abwägung einbeziehen würden. Außerdem seien sie darauf getrimmt, Lösungen zu finden, anstatt einfach nur anderen dabei zu helfen, eine Lösung zu suchen.

Aber auch rechtlich gäbe es Probleme bei der gerichtlichen Mediation: Art. 92 GG verlange eine funktionelle und materielle Streitbeilegung. Dies könne in einer Mediation durch Richter ggfs. noch erreicht werden, aber höchstens in anhängigen Verfahren. Allerdings gäbe es für die arbeitsgerichtliche Mediation schon gar keine rechtliche Grundlage.

Hinsichtlich der Mediation im Arbeitsbereich sehe sie zudem das Fristenproblem: Für den Arbeitnehmer liefen die Ausschlußfristen gemäß § 4 KSchG, Tarifrecht und/ oder Arbeitsvertrag. Für den Arbeitgeber bestehe das Risiko der Weiterbeschäftigung und damit der Lohnfortsetzung. Der Zeitfaktor spiele also in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gegen die Mediation.

Auch ließen sich nach Ansicht von BAG-Präsidentin Schmidt durch gerichtliche Mediationen weder die Verfahren beschleunigen noch die Quote der gütlichen Einigungen erhöhen. Im Gegenteil befürchte sie, daß sämtliche Arbeitsgerichtsverfahren sich verzögerten. Das sei nicht nur ärgerlich und unnötig, sondern würde zudem gegen den besonderen Beschleunigungsgrundsatz im Arbeitsrecht gemäß § 46 Absatz 3 ArbGG verstoßen.

Hinsichtlich des Hamburger Modells erklärte sie, es ließe sich nicht als Rechtsprechungsaufgabe einordnen. Außerdem sei es mit § 101 Absatz 3 GG nicht vereinbar. Weiterhin sei die Erfolgsquote höchst fraglich. Bei 13.000 bis 14.000 Verfahren im Jahr 2006 seien 17 Mediationsverfahren eingeleitet worden. Nur 5 davon seien erfolgreich gewesen.

Das Ziel einer Mediation, gerichtliche Verfahren zu vermeiden, sei durch Gerichtsmediation nicht erreichbar. Existiert schon ein Gerichtsverfahren, so gäbe es die Güteverhandlung. Statt einer gerichtlichen Mediation sollte die Mediation samt deren Vorteile und Risiken zum richterlichen Hinweis gehören.

Auch spreche der Kostenfaktor gegen eine Gerichtsmediation. Denn diese gäbe es nicht zum Nulltarif. Die Richter hätten genügend Aufgaben. Mediation sollte nicht dazukommen. Dann würden beide Verfahren leiden. Daher müßten die Politiker bereit sein, mehr Geld für mehr Richter und für mehr Fortbildung im Bereich der Mediation auszugeben.

Außerdem gäbe es für die gerichtliche Mediation kaum Bedarf. Das könnte von dem wachsenden außergerichtlichen Angebot gedeckt werden. Sie wiederholte die Forderung, in den Verfahren stattdessen regelmäßig auf das außergerichtliche Angebot hinzuweisen. Nur so könnte langfristig die Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren reduziert werden.


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  1. […] Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), auf dem Deutschen Mediationstag 2009 in Jena eine flammende Rede, in der sie die gerichtliche Mediation in höchstem Maße […]


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